Armutsfalle Herzinfarkt
Krankheit und Behinderung bedeutet in Deutschland immer noch in vielen Fällen Armut und finanzielle Probleme. Wir möchten hiermit einen Fall schildern, der zum einen recht typisch ist, zum anderen aber auch zeigt, wie der Sozialstaat in Form der Deutschen Rentenversicherung eine schnelle Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verhindert und unmöglich macht. Das Gegenteil von dem was die Rentenversicherung tun soll. Herzerkrankungen sind mit an der Spitze der Erkrankungen in Deutschland. Im Prinzip kann es jeden jeden Tag treffen. Für die Erkrankten häufig geschiet er häufig aus dem nichts. Aber jeder Herzinfarkt hat seine Vorgeschichte und es ist absehbar, wenn nicht rechtzeitg interveniert wird. Tritt das Ereignis ein, verändert sich das Leben des Betroffenen und hat verschiedenen Facetten, so medizinische, finanzielle, juristische und familiäre Gesichtspunkte. Wir wollen in diesem Artikel vor allen Dingen auf die sozialrechtliche Ebene beachten.
Sachverhalt
Herr S. leidet seit Jahren unter hohen Blutdruch und Diabetis Typ 2. Nach Auskunft des Hausarztes ist er ein Risikopatient für einen Herzinfarkt. Demtentsprechend bekommt er Medikamente und wird im DMP Diabetis überwacht. Im Sommer 2022 bekommt Herr S. immer wieder Magenschmerzen. In Bewegung verstärken sich diese Magenschmerzen. Herr S. fühlt sich immer mehr schlapp und energiearm. Er geht zum Hausarzt, dieser diagnostiziert eine Magenentzündung und verschreibt Pantoprozol. Die Magenschmerzen werden trotz Medikation nicht besser, sondern immer schlimmer. Ein starker Druck zieht vom Magen zum Sternum und zieht von dort in die Arme. Der Schmerz im Oberkörper wird immer schlimmer. Der Hausarzt ordnet eine Magenspiegelung an. Das Ergibnis ist kein Ergebnis. Es wird nie ein EKG oder eine andere Untersuchung gemacht. Inzwischen sind 4 Monate vergangen an dem die Schmerzen schlimmer werden. Am 04.12.2022 sind die Schmerzen so stark, dass der Notarzt gerufen wird. Dieser hat den Verdacht auf akuten Herzinfarkt und liefert Herrn S. in das Klinikium Friedrichshafen ein. Hier liegt nun der Patient stundenlang in der Notaufnahme herum, ohne behandelt so werden. Am abend wird noch einmal eine Blutuntersuchung gemacht und es bestätigt sich der Verdacht auf einen Herzinfarkt. Schlimm ist, dieser Herzinfarkt ist nicht auf dem EKG zu erkennen. Das kommt schon mal vor. Auch die Schmerzen ausgehend vom Magen ist eher typisch für einen Herzinfarkt bei Frauen. Herr S. wird auf die Kardiologie verlegt und soll am nächsten morgen einen Herzkatheder bekommen. Dieser Herzkatheder hat es in sich. Zunächst stellt man einen schweren Dreigefäßverschluss fest. Akut möchte man, eine Gefäß öffnen und einen Stent setzen. Doch plötzlich läuft etwas schief. Herr S. bekommt starke Schmerzen in der Brust und will aufspringen und wird von zwei Krankenschwestern runtergedrückt. Über den Zugang bekommt Herr S. mehrfach Morphium gespritzt. Aber nichts hilft. Was war passiert? Das Gefäß was geöffnet werden sollte kollabiert und hat sich ganz verschlossen. Damit waren alle drei Herzkranzgefäße verschlossen und das macht natürlich starke Schmerzen. Unter Zuhilfenahme der Anleitung durch die Oberärztin gelang es dann das Gefäß wieder zu öffenen. Leider konnte kein Stent eingesetzt werden, das sollte am nächsten durchgeführt werden und diesmal vom Chefarzt. Herr S. wurde auf die Intensivstation verlegt, da das geöffnete Gefäß sich wieder verschließen konnte und dann schnell gehandelt werden musste. Herr S. verbrachte vier Tage auf der Intensivstation und es wurde im ein Stent gesetzt. Im Februar und Mai 2023 wurden die nächsten Stents gesetz und somit wurden 5 Stents bei den Herzkranzgeefäßen gesetzt. Die Akutbehandlung war dann Anfang Juni 2023 beendet. Im April /Mai 2023 war der Patient dann zur Anschlußreha in Radolfzell und konnte sich gut erholen .Der Herzinfarkt hätte vermieden werden können, wenn der Hausarzt die Symptome rechtzeitig erkannt hätte und eine Differnzieldiagnose gemacht hätte. Herr S. hatte seine Krankenkasse gebeten, den MD die Sache zu überprüfen. Der Medizinische Dienst (MD) kam zum Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler vorlag. Derzeit macht eine renommierte Kanzlei für Medizinrecht gegen den Hausarzt und der Klinik Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend. Es wird wohl auf einen Zivil-Prozess hinauslaufen.
Sozialrechtliche Sichtweise
Herr S. war selbständig tätig und leitete eine Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung. Die Förderung der Beratungsstelle wurde zum 31.12.2022 eingestellt. Herr S. hatte aber noch seine selbständige Tätigkeit, diese konnte er aber aufgrund seiner Erkrankung derzeit nicht auüben. Zunächst bezog er Krankengeld und dann Arbeitslosengeld. Da das Arbeitslosengeld nicht einmal für die Miete reichte, musste der Lebensunterhalt durch Bürgergeld aufgestockt werden. So wurde man innerhalb von ein paar Tagen zu einem "Sozialfall" und es begann der Kampf mit der Sozialbürokratie um den Wiedereinstieg in das Berufsleben. Kurz nach dem Herzinfarkt war die Perspektive schlecht und so stellte Herr S, einen Erwerbsminderungsrentenantrag. Im Laufe der Zeit zeigte sich aber, dass sich die Situation des Herzens ständig besserte, so, dass der Erwerbsminderungsrentenantrag zurückgenommen wurde und stattdessen ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) gestellt wurde. Zuständig war die Deutsche Rentenversicherung Bund. Der Reha-Antrag wurde abgelehnt, da der Antragsteller zu krank für eine Reha sein sollte. Die behandelnden Ärzte sahen dieses anders und teilten dieses auch der Rentenversicherung mit. Der SMD, d.h. sozialmedizinische Dienst der Rentenversicherung, dieses sind Ärzte, welche bei der Rentenversicherung angestellt sind, kam ohne den Patienten jemals gesehen zu haben und ohne ärztliche Berichte, zu dem Ergebnis, der Antragsteller ist nicht rehafähig. Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch eingelegt. Inzwischen hatte der Antragsteller seinen LTA Antrag präzisiert und wollte einen Vorbereitungskurs zur Steuerberaterprüfung. Nun kam die DRV auf die Idee, dass dieses nicht ginge, da diese Tätigkeit gesundheitlich nicht gehen würde, dafür wäre der Antragsteller zu krank. Dieses wurde weder von der Hausärztin als auch von der Kardiologin bestätigt und hielten Herrn S. für rehafähig und auch fähig diesen Beruf auszuüben. Doch diese ärztlichen Berichte interessieren nicht. Nach einer Rechtsprechung des Bundessozialgericht sind im sozialgerichtlichen Verfahren die Gutachten von externen Gutachtern höher zu bewerten, als die Berichte der behandelnden Ärzte. Zum Thema Gutachter im Sozialrechtlichen Verfahren werden wir einen extra Artikel veröffentlichen. Also gab die DRV ein Gutachten eines pychiatrischen Gutachters in Auftrag. Die DRV vertrag nun die These, dass eine psychiatrichsche Erkrankung eine Tätigkeit als Steuerberater verhindern würde. Herr S. hatte Jahre vorher eine Depression gehabt, aber seit 2019 keinerlei Beschwerden mehr. Nun leider bestätigte der Psychiater die Auffassung der DRV nicht und sah keinerlei Bedenken gegen die Ausübung des Berufes des Steuerberaters. Aber irgendwie passte der DRV dieses nicht in den Kram und sie merkte Fehler in dem Gutachten an. Der Gutachter betätigte aber in seinem Zusatzgutachten seine bisherige Auffassung. Nun verkündete die Rentenversicherung, dass sie das Gutachten nicht akzeptiert und nicht anerkennt und behauptet einfach weiter, dass eine Weiterbildung zum Steuerberater nicht gehen würde. Rehabilitationsmaßnahmen sollen zeitnah erfolgen, so der Gesetzgeber. Daher wurde eine eínstweilige Anordnung beim Sozialgericht Konstanz gestellt. Diese wurde abgelehnt, da kein Eilbedarf. Beschwerde dagegen eingelegt, vom Landessozialgericht abgelehnt, kein Eilbedarf. Nun ist es so, dass die Steuerberaterprüfungen nur einmal im Jahr und zwar im Oktober stattfinden. Die Anmeldefristen waren abgelaufen, die Steuerberaterkammer hatte einen anderen Eilbedarf, dass war aber mit den der Herren Richter nicht vereinbar. Nun lagen aber soviele ärztliche Berichte vor, so dass im Dezember 2023 die Rentenversicherung sich genötigt sah, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach zu bewilligen, d.h. es wurde anerkannt, dass ein Rehabedarf besteht, aber die Maßnahme wurde nicht bewilligt, sondern man wollte andere Maßnahmen bewilligen. Der running Gag im Sozialrecht ist der Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber. 90 % dieser Gutcheine können nicht eingelöst werden, da die Rehabilitanden keinen Arbeitgeber finden. Also muss die Rentenversicherung nicht zahlen und stiehlt sich aus der Verantwortung, denn sie hat eine Maßnahme angeboten.
Dieses wurde von Herrn S. abgelehnt. Die DRV änderte die Strategie und behauptet nun, dass keine LTA notwendig sei, da der Antragsteller nun gesund sei und keine Herzprobleme mehr hat. Man hat schon mal von Spontanheilungen gehört, aber erlebt haben die wenigsten eine solche Spontanheilung. Ausschlaggebend war eine Bescheinigung der Kardiologin, dass eine Tätigkeit als Berater aus kardiologischer Sicht kein Problem sei. Im Februar 2023 wurde auch ein Existenzgründerzuschuss beantragt, um die selbständige Tätigkeit wieder aufzunehmen. Natürlich wurde dieses abgelehnt, die Begründung ist nicht krankheitsangemessen. 20 Jahre Tätigkeit in diesem Beruf trotz einer Behinderung spielen keine Rolle. Nach § 4 und § 9 SGB IX sollen LTA Maßnahmen nach den Fähigkeiten und Neigungen bewilligt werden sollen. Gerechtfertigten Wünschen sollen umgesetzt werden. Diese Entscheidung ist aber eine Ermessensentcheidung des Sachbearbeiters. Wenn der Sachbearbeiter nicht will, dass man Steuerberater wird, sondern Friseur, dann müssen sie Friseur werden.
Hier entscheiden Mitarbeiter der Rentenversicherung über das Leben anderer Menschen. Manche Sachbearbeit gehen verantwortungsvoll damit um, andere, die Mehrheit, nicht. Das macht solche Anträge zum Glücksspiel. Artikel 12 GG garantiert die freie Berufswahl, es sei denn Sie sind ein Mensch mit Behinderung, da entscheiden andere. Scheinbar gilt Artikel 12 nur für gesunde Menschen. Nach unserer Auffassung liegt hier auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbestimmung vor, wie ihn die UN Behindertenrechtkonvention formuliert. Die UN Behindertenrechtskonvention gilt als einfache Bundesgesetz als bindendes Recht. Interessiert dieses die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte ? Nein. Die UN Behindertenrechtskonvention spielt in der sozialgerichtlichen Praxis keine Rolle.
Das gleiche Spielchen wegen des Existenzgründerzuschuss. Eintweilige Verfügung beim Sozialgericht beantragt, abgelehnt kein Eilbedarf, Beschwerde gegen die Ablehnung abgelehnt, kein Eilbedarf.
Im Sommer 2023 entschied sich die Rentenversicherung dann den Bescheid über die Bewilligung der LTA zu widerufen, da der Antragsteller gesund sei und keine Eingliederung benötigte. Dagegen wurde Widerpruch eingelegt, welcher Monate später Ende Herbst abgelehnt wurde und nun Klage erhoben wurde. Gegen die Ablehnung der Weiterbildung wurde inzwischen Klage erhoben, genauso wir gegen den Wideruf der LTA. Eine einstweilige Anordnung gegen die Aufhebung der LTA hatte teilweise Erfolg, da die DRV nicht die Spontanheilung erklären konnte. Zwischen der Bewilligung und Aufhebung der LTA hatte sich ausweislich der Befundberichte keine Veränderung der Gesundheit ergeben. Nun werden in den Klageverfahren wieder alle schon vorliegend ärztlichen Unterlagen erneut angefordert. Man kann mit zwei Jahren Verfahrensdauer rechnen. Soviel zur Realität des Bechleunigungsgrundsatzes und zur Effektivität des Rechtsschutzes.
Im Juni 2024 bewilligte die Arbeitsagentur die Weiterbildung zum Steuerberater und Herr S. konnte die drei monatige Vorbereitung zur Steuerberaterprüfung abchließen und wartet nun auf die schriftliche Prüfung im Oktober 2025 und die mündliche Prüfung im Januar 2026. Hätte die Rentenversicherung früher reagiert, hätte Herr S. schon die schriftliche Prüfung hinter sich. So wie Herrn S. geht es vielen Antragstellern. Der Autor weis aus seiner Tätigkeit als Dozent Sozialrecht, dass 90 % der Teilnehmer bei der Pflegeberaterausbildung, die von der Rentenversicherung finanziert wurden, sich in die Weiterbildung reinklagen mussten. Wahrscheinlich ist Herr S. schon längst Steuerberater, wenn über die Klage noch nicht endgültig entschieden ist.
Wir berichten über den Fortgang.
Tipps:
Lehnt die Rentenversicherung eine beantragte Leistung ab, legen Sie Widerspruch ein und nutzen Sie alle Rechtsmittel beim Sozialgericht (KLage, einstweilie Anordnung, Berufung). Aus 20 Jahren Berufstätigkeit wissen wir, Hartnäckigkeit zahlt sich aus, Lassen Sie sich von einem Profi unterstützen (Rechtsanwalt, Rentenberater oder Sovd/VdK). Wenn Sie Rehabilitationsmaßnahmen beantragen, überlegen Sie genau was sie wollen und lassen sich mit irgendwelchen sinnlosen Maßnahmen abspeisen ( Zuschuss für Arbeitgeber oder komische Berufsfindungsmaßnahmen)
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